Martin Luther – Trost und Hilfe angesichts der Furcht vor dem Tod
Mit dem Tode umzugehen, ist die Schule des Glaubens. (Martin Luther, Tischreden)
Der Mensch des Mittelalters, dem auch Martin Luther angehörte, war auf eine unmittelbarere Weise mit dem Sterben konfrontiert als die Menschheit des 21. Jahrhunderts mit all ihren technisch-medizinischen Errungenschaften. Luther dachte nicht an 500 Jahre Reformationsgeschichte, eher an das baldige Ende der Welt. Erst wenn die alten Ordnungen aufgelöst wären, sollte das noch verborgene Reich Gottes die große Wende in der Weltgeschichte hervorbringen. Auf persönlicher Ebene zieht sich Luthers Sicht vom Ende und der damit verbundenen Furcht wie ein roter Faden durch sein Lebenswerk. Es kommt darauf an, den Menschen auf die Ewigkeit vorzubereiten. So kann er einerseits streng urteilen: „Wer den Tod fürchtet oder nicht sterben will, ist kein rechter Christ, fehlt ihnen doch immer noch der Glaube an die Auferstehung, solange sie dieses Leben mehr lieben als das zukünftige.“ (Vorlesung Hebr.Br., 1517/18)
Andererseits weiß er um unsere menschlichen Schwächen: „Dennoch darf man an denen, die den Tod fürchten, nicht verzweifeln, sondern muss sie stützen und ermahnen als solche, die noch schwach sind im Glauben, deren wir uns ja … annehmen sollen.“ (ebd.) Der Brückenschlag dieser Spannung ist Christus: „Daher müssen wir diesen Menschen Trost und Mut zusprechen, vor allem durch Christus selbst, … den Tod hat er zwar belassen, aber als Besiegten, darüber hinaus hat er die Furcht vor dem völlig überwundenen und keineswegs zu fürchtenden Tode unschädlich gemacht.“ (ebd.)
In einem Brief an einen Freund schreibt er zum Tod seiner Tochter: „Meine Käthe grüßt Dich ehrerbietig, welche von Zeit zu Zeit in Tränen ausbricht in Erinnerung an unsere Tochter, über die wir uns freuen sollten, dass sie im Reich des Lebens ist…“ (zit. bei Brand, Luther als Seelsorger, 1973) Der berühmte Maler der Reformation und Freund Luthers, Lukas Cranach d. Ä., verlor seinen geliebten, talentierten Sohn Hans. Luther drückt Verständnis für dessen großen Schmerz aus, gibt aber zu verstehen, dass Gott an dem Geliebten „mehr Recht hat als du, sein Vater.“ Nüchtern und wegweisend ergänzt er: „Ihm ist wohl geschehen. Darum esset und trinket, Ihr sollt noch mehr Leuten dienen. Die Traurigkeit vertrocknet die Beine.“ (ebd.)
Für Luther dürfen Schmerz und Traurigkeit des Todes von der Siegesgewissheit der Macht Gottes überragt werden. „Luther übergeht nicht den Schmerz des Vaters, aber er weist ihn an die rechte Stelle vor Gott. Er hilft ihm aber auch, jetzt nicht dem Leben und seinen Aufgaben zu entfliehen.“ (ebd.) Der Tod ist vergleichbar mit dem Weg einer Geburt durch die Enge des Mutterleibes, deshalb gilt: „Im Sterben muss man sich auch in die Angst hineinwagen und wissen, dass danach ein großer Raum und Freude sein wird“ (Sermon von der Bereitung zum Sterben, 1519). Gottes Heil weist über das irdische Glück in der Zeit hinaus in die Dimension der Ewigkeit. Todesdrohungen gegen Christen verlieren dann auch an Wirkung. So schreibt Luther inmitten der Drohungen seiner Gegner: „Sie dräuen [drohen] uns mit dem Tode. Wenn sie so klug wären, als sie töricht sind, sollten sie uns mit dem Leben dräuen. Es ist ein spöttisches, schimpfliches Dräuen, dass man Christum und seine Christen mit dem Tode schreckt, so sie doch Herrn und Siegmänner des Todes sind. Gleich als wenn ich wollte einen Mann damit erschrecken, dass ich ihm sein Ross aufzäumete, und ihn darauf reiten ließe. Aber sie glauben nicht, dass Christus auferstanden von den Toten, und ein Herr des Lebens und des Todes sei; er ist bei ihnen noch im Grabe, ja noch in der Höllen. Wir aber wissen, trotzen, und sind freudig, dass er ist auferstanden, und der Tod nichts mehr sei, denn ein Ende der Sünde, und seiner selbst. Darum schreiet der angefangene Geist in uns: Komm, Tod und jüngster Tag, und mache beide, der Sünde und des Todes ein Ende, Amen…“ (Brief an Ritter Hartmuth von Cronberg, 1522).
Klaus Giebel
Beiträge aus der Kirchen- und Dogmengeschichte zu seelsorgerlichen Themen (Folge 6)
GIBB-Informationen, Nr. 77 / Februar 2017