Wuestegarten: eine Falle für Logiker …

puzzle-1721465.jpgFrüher hat Sie ja bei mir im Blog geschrieben … – jetzt hat die “Krähe” aus Wüstegarten wieder mal einen Knaller gesetzt: ich stelle ihn trotzdem mal mutig zur Diskusson, obwohl es mich in die Nähe eines Calvinisten setzt … – pardon: wuestegarten meint ja genau, dass das nicht ihr Ding ist, in eine Schublade zu gehören, oder?

Die Schrift sagt zum Pharao: „Eben hierzu habe ich dich erweckt, damit ich meine Macht an dir erzeige, und damit mein Name verkündigt werde auf der ganzen Erde“. So denn, wen er will, begnadigt er, und wen er will, verhärtet er. 1

Heiliger Paulus! Ein provokanteres Beispiel ist dir nicht eingefallen, um die Frage zu erörtern, ob etwa Ungerechtigkeit bei Gott ist?

Die Vermutung – nämlich dass Gott ungerecht ist – liegt nahe, hören wir ihn doch feierlich verkünden „Den Jakob habe ich geliebt, aber den Esau habe ich gehasst“, als die Kinder noch nicht geboren waren und weder Gutes noch Böses getan hatten. Als Begründung wird uns lediglich das „nach seinem eigenen Vorsatz“ vorgestellt – Gott rechtfertigt sich durch gar nichts vor dem Menschen und ist so vermessen sich nicht rechtfertigen zu wollen.

Du weißt ja, Paulus, was der Mensch auf den obigen Schriftvers ohne zu zögern entgegnet:
Warum tadelt er noch? Denn wer hat seinem Willen widerstanden?

Wenn Gottes Wille unwiderstehlich ist, hat Gott noch irgendeinen Grund, irgendetwas zu tadeln?

Die Entgegnung, die beiden einzigen denkmöglichen Alternativen, die uns der Logiker, die Schrift mit seinen rationalen und moralischen Prinzipien überprüfend, präsentiert:

If God‘s will is irresistible, there is no reason for God to judge that anything is wrong.
There are only two possible logical responses to this. Either the premise (God‘s will is irresistible) is correct, and the deduction (God has no right to find fault) is false; or the premise is incorrect and so the argument collapses. 2

Ich zitierte eben einen sehr klugen und gelehrten Mann, zweifellos klüger und gelehrter als ich, – bin ja bloß eine Krähe! – überschüttet mich mit seinen logischen Argumenten und umgibt mich mit Schlingen, dass ich mich nicht ganz freimachen kann. Aber nicht nur mir, dem Allmächtigen selbst hat er eine Schlinge angelegt: er kann sich nicht dazu durchringen, Gott von der Moral zu entbinden. Ein Gott, der sich über die Moral emporschwingt, ist bereits kein Gott mehr, sondern ein Ungeheuer!

Lässt doch der Verfasser keinen Zweifel daran, welchen Weg er bevorzugt: The premise is incorrect. – Und warum ist die Annahme falsch? God‘s will is irresistible – das darf nicht sein!
Als Begründung lässt er einige Zitate aus dem Neuen Testament folgen. Die Antwort des Apostels – die eigentliche Entgegnung auf die oben aufgeworfenen Fragen – werden nicht berücksichtigt. Warum sie auch erwähnen? Sie sind ja ihrerseits ein noch größerer Anstoß als das Vorangegangene – denn was tut Paulus anderes, als dem Menschen den Mund zu verstopfen? Das ist nicht die feine englische Art!

Ist die Verstockung des Herzens des Pharao das Werk Gottes oder nicht? Wenn ja, ist Gott dann für das Böse verantwortlich?

Es steht außer Zweifel, dass der menschlichen Vernunft und in noch höherem Maße der menschlichen Moral eine derartige Annahme ungeheuerlich erscheint („it offends our moral judgment“). Was aber bleibt von der Allmacht Gottes übrig, wenn man sie durch die menschliche Vernunft und Moral filtriert?
Ich für meinen Teil unterwerfe mich lieber der Willkür des lebendigen Gottes denn der todsicheren Logik, die die Menschen für heilig halten und durch diese sogar die Allmacht Gottes einschränken. Deswegen krähe ich von allen Dächern herunter: Gott kann und tut alles was er will! Seine Freiheit und sein Wille sind durch keinerlei Gesetze beschränkt. Im Gegenteil – er ist die Quelle aller Gesetze und Regeln, er ist auch der Herr über sie, wie er auch Herr ist über Pharaos Herz und es lenkt wie er will. Das ist eine unlogische Wahrheit: So groß ist Gott, dass er den Pharao zu seinen freien Willensentscheidungen vorherbestimmt hat.
Der Wille Gottes regiert. Der Mensch ist wirklich frei. Wobei ich jetzt zu gerne die Willensfreiheit eines beliebigen Teenagers diskutieren würde, der vor die Wahl zwischen Shakespeare und Beyonce gestellt wird. Aber ich habe nicht vor, das Mysterium des freien Willens hier zu ergründen.

Die menschliche Auffassung ist: Für Gott ist nicht alles möglich, für Gott ist vieles unmöglich. — Sie reden wie Tonklumpen und sind stets bereit Gottes Allmacht und Allwissen zu bezweifeln!

Die alten Griechen formten Ton zu Vasen, gossen ihre Idealvorstellungen vom Menschen zu Götterbildern in Bronze und bauten ihre Altäre aus behauenen Steinen. Neben der Malerei, der Bildhauerei, den Baustilen und der Staatsform vermachten sie den Menschen, die nach ihnen gekommen sind, die grundlegenden rationalen Prinzipien. Die ganze Technik des hellenischen Denkens ist gewissermaßen zu zweiten Natur des europäischen Vernunftmenschen geworden. So sagt uns Thomas, ein an Weisheit nicht wenig begabter Mann, „dass Geschehens ungeschehen sei, unterliegt nicht der göttlichen Allmacht, da es einen Widerspruch enthält“3 und beruft sich dabei auf Augustinus und seine Urquelle Aristoteles: „Und der Philosoph sagt: Dessen allein ist Gott nicht mächtig, Geschehenes ungeschehen zu machen.“4

Es ist schon lange her, da lebten Männer, älter als alle diese sogenannten Philosophen. Sie predigten im Geiste Gottes, sie sagten die Zukunft voraus, das nämlich, was nun tatsächlich eintritt. Propheten nennt man sie. – Jesaja beispielsweise lässt das Gesetz des Widerspruchs unberücksichtigt, wenn er sagt, dass Gott selbst die Zeit auf die Bitte eines Menschen zurücklaufen lässt. 5 – Solche Männer allein sind es, welche die Wahrheit gesehen und sie den Menschen, ohne dieselben zu fürchten und ohne ihnen zu schmeicheln, frei von Ruhmsucht verkündet haben. Sie haben nicht erst Beweise zu Hilfe genommen, um damit ihre Lehren darzutun; sie verzichten gerade auf alle Beweisführung und sind dennoch glaubwürdige Zeugen der Wahrheit.6

Der große Theologe und Philosoph aber wiederholt wie eine tibetanische Gebetsmühle, was alle Logiker nach ihm für ein unerschütterliches Gesetz halten: „Unter die Allmacht Gottes fällt nicht, was einen Widerspruch enthält.“  Gott kann keinen quadratischen Kreis erschaffen, widerspricht es doch den Gesetzen der Logik – und diese sind so erhaben, dass selbst der Allmächtige sich nicht darüber hinweg setzen kann. „Quadratischer Kreis“, „verheirateter Jungeselle“: enthält einen logischen Widerspruch, ergo: es auch unmöglich für Gott.

Bei Gott ist selbst eine „schwangere Jungfrau“ weder logisch noch biologisch unmöglich! Sollte der Herr über Leben und Tod, der das Nichtseiende ruft, wie wenn es da wäre, der Abraham aus Steinen Kinder zu erwecken vermag, nicht auch über Kreise, Quadrate, Senkrechte und Dreiecke nach seinem Belieben verfügen können? Ein „quadratischer Kreis“, das wäre ja ein „Wunder …, ein Monstrum der idealen Welt, fast ein Amphibium zwischen Sein und Nichtsein“ –  sind die Worte Leibniz‘ über das unheimliche √-1. Früher hielten es die Mathematiker für unmöglich, dass das Ergebnis einer Quadratwurzel negativ sein kann, später entdeckten sie die komplexen Zahlen und das schauderhafte und unfassbare „Wunder der Analysis“ wurde möglich.

Die biblische Offenbarung aber übersteigt die Grenzen jeglichen menschlichen Fassungsvermögens und der von ihm zugelassenen Möglichkeiten. Selbst wenn sie an einer Stelle sagt, dass Gott nicht lügen kann, heißt es an einer anderen, dass er den Lügengeistern befiehlt.  7 Für Gott ist nichts unmöglich.
Der Mensch muss mit den alten Denkgewohnheiten brechen, alle Voraussetzungen der „natürlichen Erkenntnis“ und der „natürlichen Moral“ mit der Wurzel in sich ausrotten, muss von neuem geboren werden… aber selbst dann überhebt er sich und wähnt, weise, gerecht und heilig zu sein, versucht Gott auf seine Ebene herunter zu ziehen und zu einer Marionette seiner Vorstellungen zu machen. Es ist nötig, dass er gedemütigt werde.

Karr!

Anmerkungen

  1. ↵ Römer 9,17.18
  2. ↵ John Lennox, Determined to Believe, ch. 14
  3. ↵ Summ. Th. I, qu 25
  4. ↵ Nic.Eth. 1139, b9
  5. ↵ Jesaja 38,7; 2. Könige 20,8-11
  6. ↵ Ich habe mich hier der Worte Justins in Dialog mit dem Juden Trypho bedient.
  7. ↵ Titus 1,2; 1. Könige 22,23