Die Evangelikalen – eine bemerkenswerte Rezension

10.07.2020, Nachtrag 2: Jürgen Mette und Thomas Schirrmacher haben sich am 4. März diesen Jahres in Bergisch Gladbach persönlich getroffen und am 27.04.2020 folgende Erklärung vereinbart, der nunmehr seit 22.06.2020 auf dem nachfolgenden Link zu lesen ist:

Die “Gemeinsame Erklärung von Jürgen Mette und Thomas Schirrmacher” ist erfreulicherweise nicht nur eine politisch korrekte Darstellung unterschiedlicher Position mit Eingeständnissen auf beiden Seiten. Sie erinnert mich ein wenig an meine eigene Korrektur dieses Blogs, nachdem sich Jürgen Mette schriftlich gemeldet hatte (siehe unten “Nachtrag 1”). Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass es immer gut ist, sich in theol. Auseinandersetzungen zu Korrekturen in Ton und ggf. Inhalt zu erklären.

  • Von daher: dickes Lob!

Was mich aber umtreibt, ist, wie locker beide Protagonisten sich darin einig wurden, dass Evangelikale vor allem als “Jesus-first”-Leute zu verstehen sind und andere Fragen, wie etwa die Bibelfrage hinten anstehen müssen:

Jütgen Mette: Wir sind uns darin einig, dass die Evangelikalen nicht nur streitbar, sondern vor allem auch plural aufgestellt sind, gerade im Schriftverständnis, nicht zuletzt denen gegenüber, die eine solche Pluralität nicht wahrhaben wollen, sondern ihr eigenes Schriftverständnis als das einzig legitime vertreten.

Nr. 1 in der Stellungnahme von J. Mette

Thomas Schirrmacher: Der Gedanke einer deutschlandweiten und weltweiten Gemeinschaft der Evangelikalen geht gerade von der Pluralität der Auffassungen aus und hält nur einen harten Kern christlicher Lehren für unverzichtbar.

zu Nr. 1, in der Stellungnahme von Thomas Schirrmacher

Sie sind sich darin einig mit Thorsten Dietz: Ja, sehr spannender Beitrag! Schön finde ich, dass Thomas Schirrmacher ja der Kernthese von Jürgen Mette ausdrücklich zustimmt, dass „evangelikal“ eigentlich für eine „Sammlung von ‚Jesus-first‘-Gesinnten“ steht und mit eigenen Worten hinzufügt, „dass es eine Sache gibt, die uns eint, und vieles, was uns unterscheidet.“ (S. 8). Besonders hilfreich finde ich die Bestätigung, dass es eben gar nicht das eine evangelikale Schriftverständnis gibt.

Siehe Fußnote 2 hier im urspr. Artikel

Auch wenn es geschichtlich richtig ist, dass es in der Bibelfrage “schon immer” große Unterschiede unter den Evangelikalen gab, ist die Leichtfertigkeit, mit der diese Kernfrage behandelt wird, auffallend!

  • Von daher: kritische Rückfrage!

Was konservative Evangelikale bzgl. der “Chicago-Erklärung” damals als “Angriff” von Jürgen Mette empfanden, bewertet er erfreulicherweise selbstkritisch als “flapsigen und leichtfüßigen Umgangs mit der Chicago-Declaration”. Aber was mit dem Satz, die “Bibel ist Gottes Wort” genau gemeint ist, klärt sich dadurch noch nicht.

Ich denke, es wird zunehmend wichtig werden, zu definieren, was zum “harten Kern christlicher Lehren” gehört, der als “unverzichtbar” zu bezeichnen ist, wenn man seine Identität als “Evangelkale” und die notwendige Grundlage der Einheit bewahren will.

  • Gehört das “sola scriptura” weiterhin dazu (und wie wird es definiert?)?
  • gehören die Inhalte (!) der “fundamentals“, die vor 110 Jahre publiziert wurden, dazu (und was bedeutet es heute?)?

Wenn fast alles – jedenfalls die Bibelfrage – an den theol. Rand gedrängt wird und als Kern nur ein irgendwie unbestimmtes “Jesus-inside” übrig bleibt, kann man sich natürlich locker “einig” werden: mit “katholischen Theologen”, wie TS und mit “progressiv evangelicals” wie JM …

Der Verfasser erinnert sich an die Anfänge seiner Mitarbeit in der evangelistischen Studentenarbeit (1987/88), als ein Mitarbeiter eines bekannten Missionswerkes betonte, mit allen zusammenarbeiten zu wollen, die „Jesus begegnet sind“ und sich gleichzeitig weigerte zu definieren, was das bedeutet …

———

14./16.02.2020, Nachtrag 1:
Am 10.02.2020 hat Jürgen Mette, der Verfasser von „Die Evangelikalen“, durch Vermittlung von Dr. Markus Till sich per Mail an mich (bzw. biblipedia) gewandt und unsere Kommentierung der Rezension von Dr. Thomas Schirrmacher (in Teilen zu Recht) zu kritisieren.

Aus dem sich anschließenden Schriftverkehr heraus, habe ich einige Aussagen in dieser Kommentierung über-arbeitet, ergänzt, bzw. gelöscht. Nach dem Dialog sehe ich stärker als zuvor, dass Mettes Buch nicht nur eine theologische Bewertung der Evangelikalen darstellt (die mir zu flapsig ist – und bleibt …), sondern eben auch einen biografisch-subjektiven Erfahrungsbericht darstellt (dem ich auch menschliche Stärken abgewinnen kann).

Es sollte nicht sein, dass theologische Streitfragen auf persönlicher Ebene durchschlagen. Wo das geschehen ist, bitte ich Jürgen Mette um Entschuldigung!

Andererseits ist sein Buch und die Antwort von Thomas Schirrmacher und anderer Rezensenten zu Recht eine öffentliche Auseinandersetzung, die wohl auch notwendig bleibt …


25.01.2020, Kommentierung der Rezension von

Thomas Schirrmacher, ‚Theologischer ‚Streit‘ muss sein und gehört zur DNA der Evangelischen Allianz – oder: Warum ich Streitgespräche liebe. Ein offener Brief an Jürgen Mette zu seinem Buch „Die Evangelikalen“‘,

in: ‚Glauben und Denken heute‘ (Ausgabe 2/2019, Nr. 24/13. Jahrgang, Seite 8-24)

Kaum kam die neue Ausgabe von Glauben und Denkenheraus, da stellte Rod Nolte am 23.01.2020 in einem theologischen Forum in FB eine kurze Zusammenfassung aus Thomas Schirrmachers o.g. Kritik an dem Buch von Jürgen Mette. Die Evangelikalen. Weder einzig noch artig. Eine biografisch-theologische Innenansicht. 2019 Gerth Medien zusammen: wir geben eine überarbeitete Fassung mit freundlicher Genehmigung von Rod Nolte weiter (4 Seiten) – wer mehr Zeit hat, lese Schirrmachers Original (17 Seiten) … [1]

Schirrmacher legt eine bemerkenswerte Rezension zu Mettes Buch vor!


Schirrmachers Kritik ist in der Tat fundamental. Mette hat in den sozialen Medien angekündigt, erst dann zu antworten, wenn er sich mit seinem Kritiker getroffen hat: man darf hoffen, dass er die Argumente von Schirrmacher ernstnehmen und darauf eingehen wird. Zu stark sind die von Schirrmacher aufgezeigten logischen Widersprüche und Inkonsistenzen in Mettes Buch, als das sie unbeantwortet bleiben sollten.

Hier ein paar Schneisen in Kurzform … – und hier die pdf dazu.

Streitkultur oder Brückenbauen …?

  • Mette wirft den konservativen Evangelikalen einen „Hang zum Streiten“ vor und verfasst dann selbst eine „Streitschrift“ (anstatt, gem. seiner Zielsetzung ‚Brücken zu bauen‘) …
  • In den beiden Vorworten seines Buches wird Mette als „Brückenbauer“ bezeichnet – und im Interview mit Wolfgang Bühne bestätigt Mette dies als Selbstwahrnehmung: „Ich sehe meine Aufgabe im Brückenbauen zwischen den Lagern der Jesus-Leute“. Von Bühne hat er hingegen den Eindruck, er liebe die Fronten
  • In seinem eigenen Buch sieht man aber auch Abgrenzung auf Abgrenzung … – Kardinal John Henry Newman hingegen wird von Mette als „Brückenbauer“ erwähnt? Worin besteht nochmal sein Vorbild? (man erinnere sich: ehemalig führendes Mitglied der ‚Oxford-Bewegung‘, Ex-Anglikaner (dessen Bruder der evangelikalen Szene nahestand), ein Konvertit zum röm. Katholizismus, später Kardinal und seit dem Herbst 2019 auch ein off. ‚Heiliger)
  • Mette fordert Einigkeit, und sagt gleichzeitig: „Wer mich öffentlich als ’nicht mehr bibeltreu‘ bezeichnet, ist nicht mein Bruder / Schwester“ (ein vorschnelles Urteil); Mette findet, dass man ihn kritisiere, ohne ihn vorher zu einem Gespräch besucht zu haben, …
  • Es fehlt bei Mette eine klare Bibelarbeit, die darlegt, was falsches und was richtiges Streiten ist. Unklar bleibt, warum Mette scharf und angreifend formulieren darf und andere nicht. Immer sind „die anderen“ die Streithammel, nicht Mette oder Leute, die auf seiner Seite stehen.
  • Die christliche Theologie hat die „Disputation“ vor 1.500 Jahren in den Klöstern hervorgebracht (aus dem Judentum übernommen). Universitäten sind aus diesem Geiste entstanden. Die Errungenschaften der Moderne sind nicht durch ‚Schmusen‘ und Einheitsbeteuerungen, sondern durch organisierte Streitgespräche hervorgebracht worden.
  • Zum Protestantismus / zu den Evangelikalen gehört, dass jeder selber um die richtige Bibelinterpretation ringt. Schirrmacher hat z.B. am ökumenischen Dokument von 2011 „Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt“ (CZmrW, Vatikan, Ökumenischem Rat der Kirchen, Weltweiter Evangelischer Allianz) mitgearbeitet, wofür er von anderen (Anm.: zu Recht …) auch deutlich kritisiert wurde.
  • Gruppen, die sich einer theol. Liberalisierung entgegenstellen, nennt Mette „Protestzirkel“. „Statt sich zu inspirieren / zu erneuern, werden immer neue Protestzirkel etabliert“ (Mette, S. 45). Daraus ergebe sich die gesellschaftliche Wirkungslosigkeit der Evangelikalen!
  • Es scheint, als gelte: „Bestehende Strukturen / Denkweisen sind zu erhalten“. Dabei war es ja Mette, der seine eigene Sichtweise „modernisiert“; sich also aus früheren Strukturen hinausbewegt hat. Warum ist er jetzt kein „böser Protestzirkler“?
  • Mette kritisiert, dass Worthaus-Predigten „kritisiert werden“, übergeht aber, dass die Worthaus-Prediger oft selbst sehr heftig austeilen, mit polemischem Ton gegenüber anderen Christen.

Evangelikale …

  • Mette kritisiert, dass unter Evangelikalen „geprüft werde, ob er im Glauben klar stehe“ (was ihn offensichtlich ärgert), er selber nennt aber ebenfalls listenweise Dinge, die man auf keinen Fall vertreten dürfe …
  • Mette sagt (S. 205): „Ich will mir immer wieder bewusst machen, dass ich von meinen schärfsten Kritikern sehr viel lernen kann“, aber im Buch findet sich kaum ein Beispiel, was er von den Kritikern gelernt hat.
  • Mette findet den Begriff „evangelikal“ derart überfrachtet, kontaminiert, theologisch entkernt, dass man ihn abschaffen solle. Schirrmacher hingegen behauptet: man schafft Begriffe nicht ab und ersetzt sie durch „Nichts“, sondern mit besseren Begriffen. Mette solle einen besseren Begriff vorschlagen …
  • Sicher kann man sich für manche ‚Evangelikale‘ nur schämen – aber das gibt es überall, wo es Menschen gibt. Laut Mette „kränkelt“ die evangelikale Szene jedoch schon von Anfang an, und müsse die „ursprüngliche Idee“ wiederherstellen. (welche “ursprüngliche Idee“ eigentlich? Die der realen evangelikalen Bewegung, die angeblich schon von Anfang an kränkelte, oder einem von progressiver Seite erträumte …?)

Sexualität

  • Laut Mette sei Homosexualität ein „Randthema“, das wir nicht zu einer Bekenntnisfrage machen sollten. Schirrmacher: „Da sind sich Freund und Feind ausnahmsweise mal einig, dass das (Homosexualität) kein Randthema ist. Das ist wirklich Deine (Mettes) ganz private Meinung, die sicher nichts zur Lösung beitragen wird.“
  • Mette übertreibt: Evangelikale befassen sich nicht „nur“ mit Homosexualität – über Islam und Christenverfolgung wird weit mehr publiziert, da gibt es Institute und Zeitschriften …
  • Mette wendet sich gegen „vereinfachende“ Lösungen, aber für das Thema Homosexualität hat er selber eine ultravereinfachende Lösung, indem er es zum „Randthema“ erklärt, das keine Bekenntnisfrage sein kann …
  • Diese Lösung habe laut Schirrmacher noch nirgends funktioniert. Sexualethik sei nun mal kein Randthema. Wenn Sexualität ein Randthema wäre: was ist mit sexuellem Missbrauch, soll das auch alles nur privat ausdiskutiert werden? Bei Abtreibung sagt Mette wiederum nicht, dass dies ein Randthema sei.
  • Wer entscheidet nun, was ein „Randthema“ ist: Mette hält seine eigene Position zu Homosexualität für die einzig gangbare und vertritt sie mit Nachdruck – warum ist ihm seine Position so wichtig, wenn es ein Randthema ist?

Schöpfungsforschung und Schriftverständnis

  • Die Frage nach Kreationismus bzw. Schöpfungsforschung löst Mette ganz einfach: Wer gelernt hat, die unterschiedlichen Literaturgattungen zu unterscheiden, der muss nie wieder über die Evolutionstheorie streiten … (S. 100). [Christen haben jedoch schon immer Literaturgattungen unterschieden, und ob Genesis 1 und 2 als „Poesie“ zu sehen ist, darüber entscheiden philologische Argumente, etc.]
  • Die Gegner von Mette seien einfach Fundamentalisten, die „einfache Menschen“ mit simplen Antworten bedienen, jedoch sind die Lösungsvorschläge von Mette ebenfalls simplizistisch.
  • Das Schriftverständnis von Mettes Gegnern werde „von Angst dominiert“. [Psychologisierung des Gegners.]. Schirrmacher weist hingegen die Vorwürfe von Mette gegen die Chicago-Erklärung als haltlos aus. Artikel XVIII sagt ja gerade, dass grammatisch-historische Exegese wichtig ist, und Artikel XIII sagt, dass literarische Kategorien wesentlich sind, etc.
  • Mette meint, er versuche die Bibel ganz ohne Vorverständnis zu lesen. Dazu Schirrmacher: keiner kann so einfach die Bibel lesen, wie sie sich selbst verstanden hat. Man muss zuerst erarbeiten, was ein Text damals gemeint hat, dann sich seiner eigenen Sprache, Kultur und Voreingenommenheit bewusstwerden. „Das ist auch kleines Einmaleins jeder bibeltreuen Theologie“.
  • Mette habe wohl einfach seine frühere „fromme“ hermeneutische Tradition mit einer anderen ausgetauscht. Schirrmacher: „Da kannst Du doch nicht einfach ‚fromm‘ erklären, Du seist quasi der Einzige, der nur schlicht die Bibel so verstehen wolle, sie sie sich selbst verstanden wissen will.“ …
  • Mette meint, seine Gegner sagen: „Man soll einfach das wörtlich nehmen, was da steht“ – Schirrmacher bittet, dass er ihm diesen Satz bitte von einem evangelikalen / bibeltreuen Theologen zeigen soll. Leider habe sich Mette nicht die Mühe gemacht, die Schriften seiner Gegner gründlich zu studieren. So schlage er ständig auf Strohmänner der Gegenseite ein.

Koran und liberale Theologie

  • Mette meint, es gäbe die islamische Sicht im Umgang mit dem Koran auch „in christlichen Ausprägungen“. Das sei, so Schirrmacher, schlicht falsch, das habe es weder in der Geschichte noch heute je gegeben. (S. 22 bei Schirrmacher).
  • Mette erweckt den Eindruck, die liberale Theologie habe uns nur ein wenig philologisch auf die Sprünge geholfen, aber übergeht komplett den glaubenszerstörenden Effekt (und die falschen philosophischen Grundlagen) der liberalen Theologie / der historisch-kritischen Bibelauslegung.
  • Mette preist die europäische Akkreditierung unter staatlicher Aufsicht seit der Einführung der Bologna-Kriterien wegen ihrer Wissenschaftlichkeit – Fakt ist aber, so Schirrmacher, dass sich die meisten theologischen Fakultäten an deutschen Universitäten gegen die Einführung der Bologna-Methoden wehren, weil sie deren Folgen als nicht förderlich ansehen …

Schirrmachers Rezension ist ausbaufähig …

  • Schirrmacher kommt bisweilen etwas hochnäsig rüber: hier der universelle Dr. mult., dort der lokale pietistische Theologe …
  • Er beschreibt fast ausschließlich formale Aspekte und bleibt auf der Meta-Ebene, indem er die „Streitkultur“ zwischen verschiedenen Meinungen sehr stark betont und lobt, ohne inhaltlich Grenzen zu ziehen, was denn nun evangelikal ist und was nicht mehr zur evangelischen Allianz gehören solle …
  • Inhaltlich hat er z.B. nichts zum Thema Homosexualität gesagt. Jede inhaltliche Festlegung würde natürlich von der Gegenseite sofort wieder als „zu eng“, „intolerant“ etc. diffamiert werden.
  • Diese ‚Offenheit‘ kann natürlich ein postmodern gesinnter Gegenüber sofort ausnutzen: ‚wir sind ja gerade für Pluralität; dann muss unsere Sicht von Homosexualität, liberaler Schriftauffassung, liberaler Sicht von Sex vor der Ehe, von der Wahrheit anderer Religionen, vom Sühneopfer, etc. auch voll akzeptiert werden, Hauptsache wir sind bereit, darüber zu diskutieren.‘ … – vgl. Thorsten Dietz in seiner Reaktion auf Schirrmachers Rezension in einem anderen Facebook-Thread …  [2]
  • Problem: Wenn man keine inhaltlichen Festlegungen mehr machen kann, weil man Angst haben muss, innerhalb der evangelikalen Bewegung als intolerant ausgegrenzt zu werden, dann haben die ‚konservativen Evangelikalen‘ schon verloren, weil damit die Hermeneutik der Gegenseite „de facto“ akzeptiert wurde.
  • Dies scheint die Strategie zu sein, auf die Mettes Buch (ob bewusst oder unbewusst) hinausläuft: dass nicht mehr über Inhalte diskutiert wird, dass keine Wahrheitsansprüche für christliche Positionen mehr ausgesprochen werden, sondern alle Sichtweisen gleichberechtigt nebeneinanderstehen können (postmodern und bibeltreu). Damit hat dann aber – auf der Metaebene – die postmoderne Fraktion ‚gewonnen‘ …
  • Fakt ist: Mettes Buch liest sich – nach Schirrmachers Rezension – wie eine „Kampfansage“ an konservative Evangelikale. Sollen konservative Evangelikale in der evangelikalen Bewegung „marginalisiert“ werden?
  • Insofern ist Thomas Schirrmachers Rezension fast schon defensiv …

Summe

Schirrmacher liefert mit seiner Rezension zwar starkes Argumentationsmaterial, aber die innerevangelikale ‚Schlacht‘ geht erst richtig los … – Die Freunde aus ‚Post-Evangelikalien‘ erheben einen klaren Führungsanspruch, und scheinen die Interpretation dessen, was in der Evangelischen Allianz gilt, für sich gewinnen zu wollen.

Zum Weiterlesen:


D. Facius schließt die damalige Rezension des Bibelbundes wie folgt ab:

Und noch ein Weiteres muss verwundern: das fast völlige Fehlen einer Auseinandersetzung mit der „Wahrheit“. Mette schreibt viel über Gnade und Liebe, geht aber kaum darauf ein, dass Jesus gekommen ist, um von der Wahrheit Zeugnis zu geben (Joh 18,37) und seine Gemeinde als Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit baut (1Tim 3,15). Wer ernsthaft an einer Beilegung von innerevangelikalen Streitigkeiten interessiert ist, muss sich vordringlich mit dem Problem befassen, wie sich Liebe und Gnade und Wahrheit zueinander verhalten. Nicht jede inhaltliche Auseinandersetzung, nicht jede Kritik ist nämlich per se „ungnädig“.

Links:


[1] Diese Textfassung verantwortet natürlich der Herausgeber selbst …

[2] Thorsten Dietz Ja, sehr spannender Beitrag! Schön finde ich, dass Thomas Schirrmacher ja der Kernthese von Jürgen Mette ausdrücklich zustimmt, dass „evangelikal“ eigentlich für eine „Sammlung von ‚Jesus-first‘-Gesinnten“ steht und mit eigenen Worten hinzufügt, „dass es eine Sache gibt, die uns eint, und vieles, was uns unterscheidet.“ (S. 8)

Besonders hilfreich finde ich die Bestätigung, dass es eben gar nicht das eine evangelikale Schriftverständnis gibt. Gerade in der DEA war das Bekenntnis zur Irrtumslosigkeit der Bibel noch nie der Maßstab evangelikaler Bibeltreue. Schön, dass von einem zu bestätigt zu finden, die die Chicagoer Erklärung bis heute in seiner eigenen Deutung vertritt.

Interessant fand ich auch die Feststellung, dass selbst unter den Anhängern einer Hermeneutik der Irrtumslosigkeit der Kreationismus keineswegs so selbstverständlich ist, wie andere es bisweilen darstellen. Es gilt nicht nur: „Eine kreationistische Auslegung des Schöpfungsberichtes und die theistische Evolution haben in der evangelikalen Bewegung seit Darwin immer schon nebeneinander her bestanden“ (18), was ja offensichtlich ist. Sondern mehr noch: „bereits die ersten „Fundamentalisten“ waren in dieser Frage nicht einig“ (Ebd.). Wenn man selbst von der Chicagoer Erklärung her zu dem Ergebnis kommt, dass wir „mit einer großen Bandbreite an ‚bibeltreuen‘ Sichtweisen von Genesis 1–11 leben müssen“, sehe ich in diesem Zugeständnis eher eine Stärkung der Anliegen Jürgen Mettes als eine Kritik.

(…)

Alles in allem habe ich nach Lektüre dieses Textes den Eindruck, dass Thomas Schirrmacher fast mehr Klärungsbedarf hätte mit konservativen Evangelikalen als z.B. mit Jürgen Mette oder auch mir….

Auf diesem Niveau könnten die Gespräche gerne fortgesetzt werden. Vielleicht mit einem etwas weniger schulmeisterlichen Tonfall und „Tunnelblick“-Unterstellung, um auch etwas kritische Bedenken anzumelden…

https://www.facebook.com/till4one/posts/3332592770144740