zum 40. Todestag von Francis A. Schaeffer (1912-1984) – eine persönliche Reflexion

Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich in den frühen 80-er Jahren (im Zivildienst; kurz nach meiner Hinwendung zu Christus) neben C.S. Lewis auch auf Francis Schaeffer stieß.

Ich war gerade dabei, mein eigenes gemeindliches Erbe aufzuarbeiten, das von strenger Gesetzlichkeit geprägt war. In Francis Schaeffer fand ich jemand, der an „Bibeltreue“ den Altvorderen meiner kleinen Fraktion in nichts nachstand, aber gleichzeitig eine intellektuelle Weite ausstrahlte, die ich als echte Befreiung begriff.

Im Rückblick war er ein echter Rettungsanker in meinem intellektuellen Dilemma, die Bibel ernst nehmen zu wollen obwohl ich gleichzeitig mit einen Koffer voll ungelöster Fragen unterwegs war. Ohne die Hilfe von Schaeffer wäre ich wahrscheinlich in einer Sackgasse gelandet, oder hätte meinen ererbten Glauben ‚dekonstruiert‘, wie wir es 40 Jahre später, überall erleben.

 

Das jemand, der die Bibel ernst nahm [1] und das Thema Weltmission [2] und Gemeinde [3] als Herzensanliegen verteidigte, sich gleichzeitig mit philosophischen Fragen beschäftigte [4] und sich „sogar“ mit Fragen der Kunst [5] und des Umweltschutzes auseinandersetzte [6] … –, das war für mich geradezu unerhört. Francis Schaeffer wurde in meinen frühen 20-ern zu einer wahnsinnig starken Ermutigung, die ganze geschöpfliche Wirklichkeit als die eine Welt Gottes zu verstehen und mein Leben nicht in einen religiösen und weltlichen Teil aufzuspalten.

Das in seinem Vermächtnis von 1984 nachgedruckte „Kennzeichen des Christen“ hat mich tatsächlich zu Tränen gerührt, weil hier für mich die Spannung zwischen Einheit und Reinheit der christlichen Kirche – was mein traumatisches Metathema war – aufgearbeitet wurde:

Wer hat aber je von einer Konferenz gehört, die von der Frage bestimmt war, wie wahre Christen durch ihr Handeln Gottes Heiligkeit und gleichzeitig Gottes Liebe vor den Augen der Welt darstellen können? Wer hat je von Predigten oder Schriften gehört, die eingehend darlegen, wie man nach zwei Grundsätzen leben kann, die einander auszuschließen scheinen: 1.) nach dem Grundsatz der Reinheit der sichtbaren Kirche in Bezug auf Lehre und Wandel und 2.) dem Grundsatz der sichtbaren Liebe und Einheit unter allen wahren Christen? [7]

Als ich mit der Geschichte von L’Abri bekannt wurde und lernte, wie hier kritischen Fragen und ebensolchen Menschen aus völlig unterschiedlichen Hintergründen im Geist Christi begegnet wurde, empfand ich zum ersten Mal so etwas wie Stolz ein konservativer Evangelikaler zu sein …

Mit Begeisterung versuchte ich, seine Kulturanalyse und seine „Trilogie“ [8] zu verstehen und sie später im Mitarbeiterkreis unserer missionarischen Studentenarbeit in München auch anderen zu vermitteln. Ende der 80-er Jahre kamen die Videos zu dem Werk „Wie können wir denn leben“ heraus, die wir als junge Erwachsene verschlangen.

Ich bin Ron Kubsch [9] dankbar, dass er in seinem TheoBlog [10] das Andenken von Francis Schaeffer bewahrt zu haben; und ich freue mich, dass das „Haus der Bibel“, seine Trilogie neu aufgelegt hat. [11]

30 Jahre nach meiner ersten Bekanntschaft mit Francis Schaeffer listete ich im Programmheft des „Münchner Gemeindetages“ unter „Fünf Bücher, die mir weitergeholfen haben“ immer noch Francis Schaeffers Trilogie auf: „denn wir Christen leben in einer vernünftigen Welt, die vernünftige Fragen an uns stellt“.[12] In meinem Blog brink4u.com versuche ich seit 2015 in dieser Haltung zu schreiben (Fragen zu stellen und Antwortversuche zu geben): in dem Vertrauen, dass die Bibel in der ganzen Bandbreite des Lebens auch heute noch Relevanz hat und keine Frage scheuen muss.

Uwe Brinkmann [13]
17.03. / 03.05.2024

Danke an Jonas Erne für die Idee: https://blog.jonaserne.net/francis-a-schaeffer-serie-zum-40-todestag/1378/


Francis August Schaeffer war ein US-amerikanischer presbyterianischer Theologe, Pastor, Gesellschaftskritiker, Kulturphilosoph, Autor und evangelikaler Vordenker. Er wurde vor allem im englischsprachigen Raum bekannt durch seine Veröffentlichungen und die Gründung der Kommunität L’Abri Fellowship in der Schweiz. Wikipedia

[1] Der Schöpfungsbericht

[2] Unsere Welt soll sein Wort hören

[3] Kirche am Ende des 20. Jahrhunderts

[4] Zurück zu Freiheit und Würde

[5] Kunst und die Bibel

[6] Das programmierte Ende

[7] Schaeffer, Francis A., „Das Kennzeichen des Christen“, in: „Die große Anpassung – Der Zeitgeist und die Evangelikalen“ (20224, CLV Bielefeld), Seite 204-205. Das prophetische „Vermächtnis“ Schaeffers bestand in der Anfrage an die evangelikale Gemeinschaft, wie sie (in Zukunft) zur Heiligen Schrift stehen wird.

[8] Preisgabe der Vernunft, Gott ist keine Illusion, und … und er schweigt nicht

[9] https://www.cbuch.de/kubsch-wahrheit-und-liebe.html

[10] https://theoblog.de/?s=schaeffer

[11] https://www.cbuch.de/brand/haus-der-bibel

[12] https://www.brink4u.com/2015/02/07/funf-bucher-die-mir-weitergeholfen-haben-09-2013/

[13] https://www.brink4u.com/2015/01/01/meine-erste-leiche/