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Jahrestag 7. Oktober …

Gerne verweise ich zum Jahrestag des 7. Oktober in Auszügen auf einen Artikel von Michael Roth (SPD) in ntv. Gerade weil es ein nicht christlich begründeter Beitrag ist. Ich finde es ermutigend, dass es diese Stimme in der Regierung und der SPD noch gibt.

Der 7. Oktober steht für den größten Massenmord an Juden seit dem Holocaust.

Der seither tobende Krieg in Nahost polarisiert. Die Netanjahu-Regierung verprellt Israels Freunde. Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, erklärt, warum er dennoch unbedingt solidarisch bleibt mit Israel.

In der hitzigen Debatte über Krieg und Frieden im Nahen Osten erfordert es derzeit eine gehörige Portion Mut und innere Überzeugung, sich an die Seite Israels zu stellen. Durch die israelische Bodenoffensive gegen die Infrastruktur der terroristischen Hisbollah im Libanon ist der Rechtfertigungsdruck nicht kleiner geworden. Freunden Israels wie mir wird eine falsch verstandene Solidarität mit der umstrittenen Netanjahu-Regierung unterstellt. Ich erlebe eine Art Bekenntniszwang, den ich sonst bei keinem anderen Land kenne. Als Freund Israels soll man immer erst mal mantraartig erklären, in welchen Punkten man der israelischen Regierung nicht folgt. Auch in etablierten Kreisen steht das Bekenntnis zur Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson, das aus der deutschen Verantwortung für die Verbrechen des Holocausts folgt, inzwischen nur noch an zweiter Stelle. Aus dem klaren “Ja” zur Sicherheit des jüdischen Staates ist bei vielen ein verdruckstes “Ja, aber” geworden, bei dem das “Aber” mehr und mehr Raum einnimmt. Es verfestigt sich zunehmend eine Äquidistanz in diesem Krieg, die mich fassungslos macht. (…)

Deutschland ist mir fremd geworden

Dass einige meine Haltung als unkritisch empfinden, ist mir bewusst. Aber in den vergangenen Monaten hatte ich mitnichten den Eindruck, dass es im Rest Deutschlands eine unkritische Debatte über das militärische Vorgehen Israels gegen die Terrororganisation Hamas gibt. Im Gegenteil: Ich nehme die Debatte inzwischen als ziemlich einseitig wahr, da kaum noch über die eigentliche Ursache dieses Krieges geredet wird: Das Massaker vom 7. Oktober 2023 mit mehr als 1.200 Toten, das in Israel tiefe Wunden geschlagen und zu einer großen Traumatisierung geführt hat. Der größte Massenmord an Jüdinnen und Juden seit dem Holocaust.

Eine wachsende Zahl von Deutschen sieht inzwischen keinen unmittelbaren Zusammenhang mehr zwischen dem Hamas-Terror und dem Krieg, der seit einem Jahr in Gaza tobt. Während die Kämpfe noch laufen, hat Israel den Krieg der Bilder, den Krieg um die öffentliche Meinung längst verloren. Kaum noch jemand spricht vom Schicksal der rund Hundert israelischen Geiseln, die immer noch in der Gewalt der Hamas sind. Auf der anderen Seite gibt es in weiten Teilen der Gesellschaft einen völlig losgelösten Blick auf das Leid der Palästinenserinnen und Palästinenser, die per se und ausschließlich Opfer sind. Es hat mich erschüttert, dass sich Menschen, die ich bislang schätzte, mit dem Terror solidarisiert und ihn als legitimes Streben nach palästinensischer Selbstbestimmung umgedeutet haben.

Der 7. Oktober hat auch meinen Blick auf mein Land verändert. Ich habe den grassierenden Antisemitismus unterschätzt. Um den Antisemitismus alter und neuer Nazis wusste ich, auch um den Hass auf Israel unter Muslimen. Aber dass in meinem eigenen linken Milieu die Gründung des Staates Israel als Antwort auf den von Deutschen begangenen Holocaust ausgeblendet wird, Israel als kolonialistischer Apartheidstaat verunglimpft und Jüdinnen und Juden an deutschen Universitäten und Schulen, auf deutschen Straßen und Plätzen bedroht und angegriffen werden, schockiert mich zutiefst. Ich dachte, wir hätten mehr aus unserer Geschichte gelernt. Ich habe mich geirrt. Deutschland ist mir fremd geworden.

Am Anfang steht der Hamas-Überfall

Was ich in Deutschland vermisse, ist Empathie für die Bürgerinnen und Bürger eines Landes, das von Feinden umzingelt ist, die es von der Landkarte auslöschen möchten. Viele können oder wollen nicht verstehen, was es bedeutet, Israeli und Jude zu sein. Fast jeden Tag wird Israel aus seiner Nachbarschaft attackiert – von der Hamas aus dem Gazastreifen, von der Hisbollah aus dem Libanon, von den Huthis aus dem Jemen, von proiranischen Milizen in Syrien und dem Irak und im April 2024 auch erstmals direkt aus dem Iran. Allein die hochwirksame israelische Luftabwehr hat Tausende weitere zivile Opfer verhindert. (…)

Netanjahu wird gehen, Israel bleibt

(…) Meine Kritik an Netanjahus Politik ändert jedoch nichts an meiner Haltung. Regierungen kommen und gehen, aber meine Verbundenheit mit diesem faszinierenden Land und seinen Menschen bleibt. Ich stehe nicht für ein “Ja, aber”, sondern für ein “Ja, weil”. Ich bin solidarisch mit Israel, weil wir Deutschen nach dem Horror des Holocausts eine historische Verantwortung für die Sicherheit Israels haben. Weil ich mich gerade als Linker verpflichtet fühle, meine Stimme gegen den grassierenden Antisemitismus und Israelhass zu erheben. Weil die Existenz Israels der größte Sicherheitsgarant für jüdisches Leben weltweit ist. Weil Israel der einzige demokratische Rechtsstaat im Nahen Osten ist, in dem Menschen unabhängig von ihrer Religion, Ethnie und sexuellen Identität in Freiheit leben können.


Zur Person

(Foto: picture alliance/dpa)

Michael Roth ist seit 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages und seit 2021 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Der Sozialdemokrat vertritt den nordhessischen Wahlkreis Hersfeld-Rotenburg Werra-Meißner-Kreis. Bis 2021 war Roth acht Jahre lang Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt. In der laufenden Legislaturperiode fiel der 54-Jähirge vor allem durch seine vehemente Unterstützung der Ukraine und Forderungen nach Militärhilfen für das überfallene Land auf. Roth wird im kommenden Jahr nicht erneut für den Bundestag kandidieren

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