In unserem kritischen Artikel zur MEHR2018 (März 2018) erhielten wir teilweise ein Feedback, als hätte der Verfasser behauptet, dass innerhalb der Römisch-Katholischen Kirche (RKK) kein erweckliches Leben möglich sei … – dem ist tatsächlich nicht so!

Allerdings wird eine biblische Erweckung nach Auffassung des Verfassers naturgemäß immer in Konflikt mit evtl. falschen Lehren der Gruppe geraten, in der sie auftritt. Wenn sie hingegen traditionelle Lehren ihrer Organisation verteidigt, die klar unbiblisch sind – während sie gleichzeitig eine reformatorische Lehre vom Evangelium bekennt – entstehen ernsthafte Fragezeichen …

Die interessante Untersuchung von Gabriele Singer und Walter Mauerhofer über „Die Allgäuer Erweckungsbewegung“ zeitigt ein schönes Beispiel, wie sich erweckliches Lebens innerhalb der „Mauern“ der RKK über Jahrzehnte hinweg Bahn bricht und auch Verbindungen außerhalb ihrer Grenzen entstehen.

Goßner.jpgDie damalige Erweckung kennzeichnete eine meist deutliche Distanz zu den katholischen Irrtümern. Johannes Goßner (1773-1858), der neben Martin Boos einer der Protagonisten der Erweckung war – und erst im Alter von 53 aus der RKK austrat – gab 1811 zu seinen Lehrinhalten eine kritische Stellungnahme zu Protokoll (nach welcher er noch 15 Jahre innerhalb der kath. Kirche wirkte), die sich wie eine Generalabrechnung mit den zentralen Lehren der RKK liest …:

I. Schrift: (gegen Traditionen)
die heilige Schrift ist die einzige wahre Regel und Richtschnur (…)
II. Lehramt:
keine menschliche Autorität hat das Recht, die Erklärung der Bibel sich allein anzumaßen (…)
III. Herrschen:
Jesus Christus hat seinen Jüngern nicht die Gewalt gegeben, über seine Gläubige zu herrschen, (…), sondern er hat ihnen aufgetragen, (…) zu dienen (…)
IV. Recht auf ein eigenes Urteil: Die Bibel ist allen Menschen offen, und man darf sie niemand verwehren. Vielmehr soll sie Jedermann vor allen andern Büchern lesen, um selbst zu prüfen und sich von dem Grund seines Glaubens überzeugen zu können (…)
V. Christus:
Jesus Christus ist der einzige Grund der Seligkeit, der gelegt werden muß und auser dem kein andrer gelegt werden kann. Wir können allein durch Ihn, durch den Glauben an Ihn gerechtfertigt, entsündiget und begnadiget werden, ohn all unser eigen Verdienst und Würdigkeit.
VI. Gute Werke:
der Wahn, daß man sich Gott durch gute Werke gnädig machen oder durch eigne Genugthuungswerke und Genugthuungsleiden die Vergebung der Sünden verdienen und bezahlen könne, ist der schädlichste Irrthum und der klaren und deutlichen Schriftlehre geradezu entgegengesetzt
VII. Früchte:
die guten Werke (…) sind wohl nothwendig, aber nicht, um Gott seine Gnade und Seligkeit damit abzukaufen, sondern um seinen lebendigen Glauben, seinen Gehorsam, Liebe und Dankbarkeit gegen Gott zu beweisen, nachdem Er uns aus lauter Gnade angenommen, gerechtfertiget und entsündiget hat. (…) Sie müssen der Rechtfertigung folgen, aber nicht vorgehen (Eph 2,8.9.10)
VIII. ewiges Leben vs. Fegefeuer:
Christus hat uns eine so vollkommene und ewige Erlösung erfunden, daß wir durch seine Gnade und Verdienst von Sünden ganz gereiniget und durch seinen Geist durch und durch geheiliget werden, hier schon das ewige Leben in uns haben, also nicht erst im andern Leben noch eine Reinigung oder Fegfeuer fürchten dürfen (Joh 5,24 und 3,18.36 und 6,40). (…) Wir wissen nur dieses: wer glaubt, wird selig, wer nicht glaubt, wird verdamt.
IX. Heilige:
Christi Verdienst ist auch so vollgiltig und allgenugthuend für uns, daß wir zu unserer Seligkeit keine anderen Verdienste und Genugthuungen der Heiligen nöthig haben und unser Vertrauen gar nicht auf sie setzen und unsre Zuflucht nicht zu ihnen nehmen dürfen. Es ist nur Ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, (…) den wir allein anrufen dürfen.
X. Gemeindezucht:
das Amt der Schlüssel oder Gewalt und den Befehl, das Himmelreich den Glaubigen auf- und den Unglaubigen zuzuschließen, den Reumüthigen die Sünden zu erlassen, den Unverbesserlichen und Unbußfertigen sie zu behalten, hat Christus seiner Kirche gegeben, und die Vorsteher der Kirche können allso dies Amt nicht aus eigner richterlicher Gewalt ausüben, (…)
XI. Beichte:
die Beicht ist von Christo nicht gebothen und nicht nothwendig. Man kann ohne Beicht Vergebung der Sünden erlangen durch den bloßen Glauben an das verkündete Evangelium. Wenn aber ein verlegner Sünder sein Herz einem Prediger oder Freunde entdecken und seine Sünden bekennen will, um von ihm im Namen Christi die frohe Botschaft, die Versicherung zu erhalten: ›Dir sind deine Sünden vergeben!‹, so ist das ihm auch nicht verbotten. (…)
XII. Messe:
in Hinsicht der Messe bin ich ebenso vest überzeugt, daß sie nicht nach der Anordnung Jesu Christi gehalten wird, und daß man das Abendmahl des Herrn so halten soll, wie Er es eingesetzt hat, nemlich unter beyden Gestalten und ohne die vielen abergläubischen Zeremonien. Die Worte des Herrn: ›Das ist mein Leib, das ist mein Blut‹ müssen so verstanden werden, wie Er sich selbst erklärte: ›Fleisch und Blut nüzt nichts; der Geist ist’s, der lebendig macht; meine Worte sind Geist und Leben‹ (Joh 6,63). Ich bin daher weit entfernt, eine Brod- oder Wein-Verwandlung (Transsubstantiation) zu glauben, halte aber doch dafür, daß wir des Leibes und Blutes Christi theilhaftig werden, ohne uns das ›Wie‹? erklären zu können. (…)
XIII. Verehrung der Hostie:
das heilige Abendmahl ist ganz nur zum Genuß, als eine Speise und Trank der Seele, nicht zur Anbethung gegeben. Es sind daher die vielen in der katholischen Kirche gebräuchlichen Segen und Anbethungen der Hostie nicht nach dem Sinn Jesu Christi, so wie überhaupt die übrigen Sakramente, (…)
XIV. Bilder und Reliquien:
die abergläubische Verehrung der Bilder, Reliquien etc. ist unchristlich und eine Übertrettung der Gebotte Gottes. Wir müssen Gott und Christus allein anbethen und auf Ihn allein vertrauen. Ihm allein gebührt alle Ehre.
XV. Papsttum:
Das Oberhaupt der Kirche und der Heiland seines Leibes ist Christus. Und da Er bey den Seinigen bleibt alle Tage bis ans Ende der Welt, auch noch überdies den heiligen Geist als seinen Stellvertretter, als Führer, Lehrer und Tröster seiner Kirche gesandt hat, so bedarf sie keines andern Oberhaupts. Der Pabst und sein ganzes Wesen ist eine Geburt des Stolzes, der Herrschsucht und Gewissenstyraney und steht mit dem Sinn und Geist und der Einrichtung, die Jesus seiner Kirche gab, ganz im Widerspruche.
XVI. die eine ‚katholische‘ Kirche …:
Übrigens halte ich mich an die heilige Schrift und an die darin klar vorgeschriebne und von allen christlichen Gemeinden geglaubten Artikel, Vorschriften und Gebotte und glaube dadurch ein Glied der einzig wahren Catholischen Kirche zu seyn, die in der ganzen Welt zerstreut ist, unter allen Nationen und Confessionen ihre Glieder hat und nicht vom Oberhaupt zu Rom oder Verona, sondern von dem göttlichen Haupte, welches zur Rechten Gottes sizt in dem Himmel und doch allenthalben bey uns auf Erden gegenwärtig ist, zusammengefaßt und regiert wird.

Damit ist alles gesagt: abgesehen von Artikel V. (Christus) werden genau diese Fragen strittig diskutiert, da sie mit dem Heil verbunden und keineswegs zweitrangig sind. Wer Artikel V. von ganzen Herzens bekennt, wird über die Zeit auch in den anderen Feldern zu einer ähnlichen Pos. des hier vorgetragenen Inhalts kommen

Erfreulicher Weise kann man dieses kirchengeschichtliche Dokument der Allgäuer Erweckungsbewegung hier kostenlos herunterladen!

Artikel als pdf: Johannes Goßner

Quellen:

• https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Evangelista_Go%C3%9Fner
• https://clv.de/clv-server.de/wwwroot/pdf/256184.pdf
• http://www.brink4u.com/wp-content/uploads/2018/03/20180310_mehr-2018_mission-statement1.pdf

Bildnachweis:
• Neuschwanstein: jplenio / 344 images, in: https://pixabay.com/en/architecture-travel-sky-building-3095716/
• Johann Goßner: https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Evangelista_Go%C3%9Fner#/media/File:Johannes_Go%C3%9Fner.JPG (gemeinfrei)