David Gooding, John Lennox: Christentum definitiv!
– Der Unterschied zwischen christlicher Botschaft und Christenheit
Hammerbrücke: Jota Publikationen (2003), Pb., 129 S., 11,95 EUR (ISBN: 3-935707-17-7)
Der Titel erinnert an Lewis’ „Christentum schlechthin“ (Mere Christianity) und ist doch ganz anders gelagert. Während der mittlerweile auch durch Hollywood bekannt gewordene „Kinderbuchautor“ einzelne, von einander unabhängige, Artikel zum Wesen des Christentums verfasste, haben seine Landsleute, in einem ebenso anspruchsvollen Stil, ihre Artikelserie aus einem neutestamentlichen Buch, der Apostelgeschichte, entwickelt.
David Gooding war Prof. für alttestamentliches Griechisch, der Septuaginta (LXX), an der Queens Universität in Belfast. John Lennox ist Prof. für Mathematik an der Universität in Oxford. Der Senior des Verfasserteams hat verschiedene Kommentare zu neutestamentlichen Büchern herausgegeben (Lukas, Johannes 13-17, Apostelgeschichte, Hebräerbrief), während Prof. Lennox vor allem durch apologetische Titel bekannt wurde (z.B. „Hat die Wissenschaft Gott abgeschafft“).
Ihr fachwissenschaftliches und christliches Engagement führte sie zu zahllosen Aufenthalten in Russland und anderen osteuropäischen Ländern. Das vorliegende Buch erschien zuerst in Form von Artikelsammlungen in einer russischen Literaturzeitschrift (1992) als Antwort auf die Fragen von russ. Intellektuellen zu den Ursprüngen des Christentums. In Russisch haben beide zudem eine ausführliche Einführung in die Ethik des Christentums veröffentlicht. Ein weiteres, gemeinsames Werk in deutscher Sprache ist der evangelistische Titel, „Wer glaubt muß denken“ (Bielefeld: CLV).
Die wesentlichen Linien dieses Buches stammen aus dem ausführlichen Kommentar von David Gooding zur Apostelgeschichte („True to the faith). „Christentum definitiv“ ist sozusagen eine Zusammenfassung der dort aus den „Fallbeispielen“ des 1. Jhdt. entwickelten Anwendungen. Dieses Buch ist trotz seines unscheinbarem Covers sehr empfehlenswert, da es sowohl evangelistische Schlagkraft hat, als auch für Christen grundlegende Aussagen aus dem Beispiel des jungen Christentums ableitet, „die das Herz des christlichen Glaubens ausmachen“ (Coverzitat).
Dabei ist es erstaunlich und ermutigend zugleich, wie es den Verfassern gelingt die Relevanz der Apostelgeschichte für aktuelle politische und zeitgeistige Fragen aufzuzeigen. Auch wenn bisweilen der ursprüngliche Adressat etwas stark rüberkommt (so lauten einzelne Kapitelüberschriften „Die wahre Revolution“, „Der wahre Internationalismus“, „Die Unverletzlichkeit der Menschenwürde“, „Das Recht auf freie Meinungsäußerung“), ist das Buch auch für westliche Leser hilfreich.
Gooding / Lennox gliedern die Apostelgeschichte in sechs Hauptabschnitte, die alle mit einem Hinweis von Lukas auf die Ausbreitung des frühen Christentums abschließen. Die Themen in den Abschnitten sind nach ihrer Auffassung wie folgt gesetzt (nach Kap. 1 des Buches):
• Kap. 1,1-6,7: Die christliche Predigt von Tod & Auferstehung Jesu Christi als Herz und Seele des Christentums führt zum apostolischen Widerstand gegen das jüdische Predigtverbot und damit zur ersten Abgrenzung vom Judentum.
• Kap. 6,8-9,31: Stephanus, der erste christliche Märtyrer definiert in dem Anlass für seinem Tod ein weiteres Kennzeichen des Christentums: der Zugang zu Gott ist frei; Christi Werk hat „den Tempel und das komplizierte System von Opfern und priesterlichen Ritualen“ ersetzt.
• Kap. 9,32-12,24: Das christliche Verständnis von Heiligung wird nicht mehr durch äußere Rituale definiert (Petrus’ Erkenntnis anlässlich des Besuches bei Kornelius). Dadurch wird das Evangelium von den kulturellen Fesseln des Judentums befreit und kann sich zum „wahren Internationalismus“ in allen Völkern, Rassen und Kulturen entwickeln.
• Kap. 12,25-16,5: Die Zugehörigkeit zu Gottes Volk wird im NT nicht mehr durch die Beschneidung oder ein anderes Ritual, sondern durch den Glauben an Christus begründet: das Apostelkonzil in Jerusalem markiert diese Wegscheide.
• Kap. 16,6-19,20: Die Abgrenzung des Christentums gegen „heidnischer Politik, Religion, Philosophie und Spiritismus“ erreicht der Historiker Lukas „durch umsichtige Auswahl von Begebenheiten und Reden“ im 5. Abschnitt (u.a. Paulus auf dem Areopag in Athen).
• Kap. 19,21-28,31: Anders als zuvor, finden wir im letzten und längsten Abschnitt den Apostel Paulus „nicht so sehr beim Predigen, als vielmehr dabei, das Evangelium … zu verteidigen“.
Indem sie den Kontext der ursprünglichen Situation nachzeichnen, in denen sich das Christentum durch Auseinandersetzung mit dem Judentum, dem Ritualismus, der Politik und dem Spiritismus befand, ehren die Verfasser nicht nur Lukas als glaubwürdigen und literarisch brillanten Historiker, sondern legen auch die Grundlage für ihre hochaktuelle Übertragung seiner Schlussfolgerungen auf heutige Fragen nach dem Wesen des Christentums.
Dem Verlag wäre zu empfehlen der Cover- und Titelgestaltung mehr Gewicht beizumessen, da dies die wünschenswerte Verbreitung dieses herausragenden Buches fördern würde. Zudem sollten einige Glättungen in der Übersetzung und ein Namendreher auf der Rückseite in der, hoffentlich bald notwendig werdenden, nächsten Auflage korrigiert werden.
Uwe Brinkmann
München