Ravi Zacharias: Jesus – der einzig wahre Gott? Christlicher Glaube und andere Religionen
Gießen • Basel: Brunnen, 2002. 14,90 €, Pb. 240 Seiten. ISBN 3-7655-1249-4
Wir leben in einer Zeit großer Empfindsamkeit, die oft mit scharfen Worten geäußert wird. Philosophisch darf man alles glauben, solange man nicht den Anspruch erhebt es sei wahr. Moralisch darf man alles praktizieren, so lange man nicht behauptet, es sei ein ‚besserer’’ Weg. Religiös darf man an allem festhalten, so lange man nur Jesus Christus aus dem Spiel lässt.“ (S. 5) – Mit dieser treffenden Beschreibung der vorherr¬schenden Stimmung unserer Zeit leitet Ravi Zacharias seine „Verteidigung der Einzigartigkeit der christlichen Botschaft“ (S. 7) ein.
Dabei schreibt der Autor nicht aus einer rein abendländischen Perspektive, sondern fragt als ein in Indien geborener und im hinduistischen Umfeld aufgewachsener, christlicher Apologet auf eine ihm eigentümliche Art neu nach der Besonderheit Jesu im Vergleich mit den anderen Religionen, bzw. deren Göttern (engl. Titel: „Jesus among other gods“).
Seine meisterhafte Art „Geschichten zu erzählen“ ist nicht mit den typischen, als bloße Einleitung zu verstehenden, „stories“ amerikanischer Sachbücher zu verwechseln: nein, die „story“ ist bereits der Haupttext, die Geschichte ist nicht nur ein Beispiel, sondern bildet selbst die Botschaft. Diese Art seinen Stoff darzustellen, kann man durchaus als gewöhnungsbedürftig bezeichnen. Mehr als einmal wird der von strikten Gliederungen verwöhnte Leser zurückblättern, um den Gedankengang nachzuspüren. Ravi Zacharias lebt in den USA und hat als christlicher Redner mehr als 50 Ländern bereist. Er ist Präsident von Ravi Zacharias International (www.rzim.org), einem evangelikalen Missionswerk zur Erreichung der Intellektu-ellen.
Zacharias bewertet die „Kandidaten auf göttlichen oder prophetischen Status“ (S. 7) mittels sechs zentraler Fragen, die seinerzeit auch Jesus gestellt wurden. Dabei zeigt er auf, dass die Antworten Jesu im Vergleich zu den Antworten des Islam, des Buddhismus oder des Hinduismus einzigartig sind. Anhand ausgesuchter Abschnitte aus dem Johannesevangelium greifen die Kapitel a) die Wahrheitsfrage (Joh. 14), b) die Frage nach dem Ursprung (Joh. 1), c) die Frage nach der Vernunft und den Beweisen für beanspruchte Vollmacht (Joh. 2), d) die Frage nach dem Sinn des Lebens (Joh. 6), e) die Frage nach dem Ursprung meines Leidens (Joh. 9), sowie f) die Frage nach der Offenbarung (Joh. 18-19) auf.
Das zentrale Thema der o.g. Fragen – und wie mir scheint, des Dienstes von Ravi Zacharias überhaupt – ist das fünfte Kapitel, dass sich mit der Behandlung des Leides beschäftigt. Gerade in der Auseinandersetzung mit den atheistischen und buddhistischen Antworten zum Phänomen des Leides tritt sowohl die Herrlichkeit des Evangeliums, als auch Zacharias’ argumentative Brillanz deutlich zu Tage. Streckenweise erinnert er an die Argumentationskraft eines C.S.Lewis, wobei seine Schlussfolgerungen des öfteren schwerer zu verinnerlichen sind, als die des „Kinderbuchautoren“.
Nach einer philosophischen Diskussion mit dem Skeptiker über das Moralgesetz als notwendige Basis zur Erklärung des Bösen, und der Möglichkeit der Freiheit als Grundlage aller Ethik (S. 150), bespricht der Autor die Frage der Jünger Jesu in Joh. 9 (wer denn gesündigt habe: der Blindgeborene, oder seine Eltern), das Problem des Leidens, besonders im Kontrast zum Hinduismus und Buddhismus. Dabei formuliert er sechs Elemente, die „als Ganzes zusammen eine folgerichtige und einzigartige Erklärung ergeben“ (S. 157): a) die Heiligkeit Gottes als Fixpunkt aller Werte, b) Gottes Allwissenheit und Vorsehung als Quelle der Geschichte, c) das Wesen der Liebe Gottes als Sinn der Geschichte, d) das Kreuz Christi als Kern der Geschichte, e) das Böse als erschreckende, innere Realität, f) sowie, als „Überraschung“, die Sinnlosigkeit des Lebens als Folge unseres Überdrusses (nicht als Folge unseres Leidens!).
In einem siebten, abschließenden Kapitel stellt der Verfasser eine im Namen Jesu gestellte Frage an seine Nachfolger, als auch an kritische Zweifler. Dabei spannt er mit der Frage „Gibt es einen Gärtner?“ den Bogen vom Garten in Eden (Paradies) und seinem eigentümlichen Gegenstück dem „Garten“ der Wüste (Versuchung Jesu), zum Garten in Gethsemane (Verrat Jesu), sowie abschließend zum Garten eines Josefs von Arimathäa (Grab und Auferstehung Jesu). Dieses Kapitel scheint das bisher gesagt noch einmal zusammen zu fassen:
Die zentrale Auseinandersetzung in Eden ist die Frage nach dem Reden Gottes (S. 215, 220). Damit sind viele der oben genannten Fragen, z.B. nach der Wahrheit, dem Ursprung und dem Sinn angeschnitten. Ging es im ersten Garten „um die Frage nach dem Text: Hat Gott wirklich gesprochen?“, geht es in der Wüste (dem „zweiten Garten“) „um den Kontext: Verändere die Bedeutung des Textes und du spielst Gott“ (S. 221). Der erste Fall liefert den Humanismus, der zweite den Pantheismus, oder die Selbstvergötterung des Menschen. In Gethsemane, dem dritten Garten, rückt das Kreuz ins Zentrum. Christi Tod als das Mittel, auf dessen Grundlage die Verleugner und Verdreher des Redens Gottes eingeladen werden umzukehren. Der letzte Garten beinhaltet das Grab Jesu, und damit auch die Botschaft von der Auferstehung. Zacharias zitiert ausführlich den Auferstehungsbericht bei Johannes und malt die Situation nach, als der „Gärtner“ Maria mit ihrem Namen anspricht: „Er sprach nicht nur, er nannte die Seinen sogar bei ihren Namen“ (S. 232); „plötzlich erblühte alles von Sinn“.
Zacharias’ Buch kann man Lesern, die sich mit anderen Religionen und Philosophien fundiert auseinandersetzen wollen wärmstens empfehlen. Seine Argumente sind immer auf den Punkt gebracht, fachlich ausgezeichnet, und zudem liebevoll vorgetragen. Auch in der Auseinandersetzung mit seinen theologischen, bzw. religiösen „Gegner“ lässt er den Respekt für seinen Gegenüber nicht vermissen. Allerdings bietet diese Lektüre neben, bzw. vor, dem Genuss auch etwas Arbeit an; man wird nicht umhin kommen, sie mit einem gespitzten Bleistift zu lesen …
Trotzdem seien zwei kritische Fußnoten angebracht:
1) In der Beschreibung des „ersten Gartens“, d.h. der Diskussion von der Weltentstehung, trägt Zacharias eine Denkweise vor, die den Lesern von Bibel + Gemeinde negativ aufstoßen könnte. Der Verfasser beschreibt zunächst den historischen „Scopes-Prozess“ (von 1925), in dem laut Zacharias die Verteidiger der Bibel sich dazu verleiten ließen eine aus dem Kontext gerissene Facette des biblischen Weltbildes zu verteidigen, ohne ihre Überzeugung zuvor als Ganzes darstellen zu dürfen. Die christlichen Vertreter wurden entsprechend vorgeführt und zerschellten im Gespött der Kritiker. In seinem Anliegen die Heilige Schrift von den Vorurteilen heutiger Agnostiker zu schützen, beschreibt der Autor die Aussagen der Genesis hinsichtlich einer 6-Tage Schöpfung unnötigerweise als irrelevant, da gemäss dem Verfasser diese Frage nicht der Absicht der ersten Seiten der Bibel zu Grunde liege (S. 214). Zu Recht verweist er hingegen auf vier allgemeine Aussagen zur Schöpfungsordnung als „die entscheidende Stoßrichtung“ des Bibeltextes: Gott ist der Schöpfer, die Welt entstand nicht durch Zufall, das Leben kann nicht alleine gelebt werden, der Mensch ist ein moralisches Wesen.
2) Zacharias zitiert als viel belesener Mann zu Recht die ganze Bandbreite der relevanten Literatur. Auffallend ist lediglich, dass er dabei neben Malcolm Muggeridge und G.K. Chesterton (die er unabhängig von ihrem katholischen Hintergrundes zitiert) auch eindeutig katholische Größen, wie Mutter Theresa, Henry Nouwen, Peter Kreeft, etc. ohne erkennbare Einschränkung zu Wort kommen lässt. Eventuell kann man dies als Hinweis werten, dass Ravi Zacharias, ähnlich dem bereits zitierten C.S.Lewis, mehr die grundsätzlichen Fragen des christlichen Glaubens („mere christianity“) im Gegensatz zu den anderen Religionen diskutiert, als die Unterschiede zwischen den Konfessionen zu betonen. Mit dieser möglichen Einschränkung im Hinterkopf, sollte man beide Verfasser darum da nicht als Autoritäten missbrauchen, wo sie gar nicht geredet haben; eine Erfahrung die zumindest C.S.Lewis posthum machen musste.
Uwe Brinkmann
München, September 2003