Klaus Giebel, 15.03.2019

Bericht über ein Symposium in München

Die Organisation „Demo für Alle“ unter dem Vorsitz von Hedwig Freifrau von Beverfoerde veranstaltete am 23.2.2019 in München wieder ein Symposium, diesmal in der Münchner „Wappenhalle“, nahe dem Gelände des Messezentrums. Das Thema war „Elternrecht versus Staat. Wohin führen „Kinderrechte“ im Grundgesetz?“ Das Anliegen dieser Organisation in Zusammenarbeit mit ihrem Partner „CitizenGo“ ist es, Familien im Kern zu stärken und einer Wertegemeinschaft aus bürgerlichen und christlich-konservativen Milieus eine Stimme zu geben.

Das Eingangsreferat wurde von dem Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Jörg Benedict, Rostock, gehalten. Sein Fokus lag auf Artikel 6 GG (Abs. 2), in dem die Rechte und Pflichten von Eltern in der Familie und der Kinderschutz geregelt sind. Ausgehende vom ersten Artikel des Sozialgesetzgebungsbuchs zeigte Prof. Benedict, dass eine sogenannte Erweiterung der aktuellen verfassungsrechtlichen Gesetzeslage um ein Kinderrecht zwar derzeit stark forciert wird, im Kern aber sowohl unnötig wäre und sich im Wesentlichen auch nachteilig auf eine stabile und angemessene Entwicklung des Kindes auswirken könnte. Unnötig sei eine Gesetzeserweiterung deshalb, weil das Kind sowieso den Schutz durch Prinzipien genieße, die auf den allgemeinen Menschen- und Personenschutzrechten beruhe und es keine übergreifende Sicherheit für einen Rechtsanspruch geben könne.  Den Grund sah Prof. Benedict darin, dass sich die Familie als sinnstiftende kleinste Kerninstanz eines Gemeinwesens nicht mehr als Einheit versteht, sondern Elternpflichten sowie deren Pendant, die an die Pflichten der Eltern gekoppelten Rechte,  durch staatlichen Mehreinfluss überreglementiert werden. Im Klartext hieße das, dass der Staat in die Erziehungshoheit der Eltern auch ohne Not eingreifen könne, je nachdem wie das Gesetz dann im Endeffekt aussähe. Eine Intervention durch staatliche Behörden sei ja aktuell auch aus notwendigen Gründen ohne neue Gesetze möglich, nämlich um das Kindeswohl zu schützen bzw. den Eltern auch die notwendige Unterstützung in der Erziehungsverantwortung zukommen zu lassen.  Aktuell könnte eine Gesetzesvorlage aus NRW als Ergänzung zu besagten GG-Artikel („Ehe und Familie sind das natürliche Recht der Eltern.“)  für den Bund als Beschlussvorlage im Bundestag aufgenommen werden. Darin heißt es u.a.: „Jedes Kind hat bei staatlichen Entscheidungen, die seine Rechte betreffen, einen Anspruch auf Gehör und Berücksichtigung seiner Meinung entsprechend seinem Alter und seiner Reife“ (vorgeschlagen als ergänzender Absatz; im Gegensatz dazu fordern Linke und SPD z.B. den gesamten Absatz 2 neu zu formulieren und darin das Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung und Schutz vor Vernachlässigung zu formulieren). Prof. Jörg Benedict verwies dann noch auf ein überwiegend kritisches Urteil des Sachverständigenrates vom 26.6.2013, wo mehrheitlich zusammenfassend geäußert wurde, „dass die Verfassung schon heute die Grundrechte aller Bürger, samt der Kinder garantiere und deren spezifische Erwähnung im Grundgesetz somit überflüssig sei.“ Einige Sachverständige wiesen dabei auf die Schwächung der Elternrechte hin und auf die Gefahr einer Verschiebung der bisherigen Balance zwischen Eltern- und Kinderrechten sowie den Rechten des Staates.

Aus der Praxis berichteten die Leiterin einer KiTa im mittelfränkischen Raum, Frau Dr. Elke Möhring-Nelling, zusammen mit einer weiteren Mitarbeiterin anhand eines von Klaus Kelle durchgeführten Interviews Ihre 20jährige Erfahrung zeigte wie kompliziert es ist, staatliche Richtlinien, die v.a. dem Stichwort „Partizipation“ angepasst sind,  in der Praxis so umzusetzen, dass den Vorstellungen der Richtlinien Rechnung getragen wird ohne die alltagspraktischen Notwendigkeiten der Kinderbetreuung zu gefährden. „Partizipation“ kann von Praktikern eingesetzt werden, die Spielräume dafür sehen, entweder bei der Entscheidung, Kinder auch mal zu erlauben, mitzuentscheiden was sie essen möchten, stößt aber an deutliche Grenzen wenn es z.B. darum gehe Krippenkindern unter drei Jahren ein Mitspracherecht beim Wechseln der Windeln zu geben oder die Wahl passender Outdoor-Kleidung bei entsprechender Wetterlage dem Kind zu überlassen. Damit würde man einen altersgemäßen Umgang mit wählbaren Entscheidungen durch völlige Überforderung der Kinder ad absurdum führen. Deshalb seien gesetzlich vorgeschriebene Anordnungen, die die Idee, Kindern am Entscheidungsprozess partizipieren zu lassen eine unnötige praxisferne Belastung sowohl für KiTa-Mitarbeiter wie für die Kinder selbst.

Im Nachmittagsvortrag zeigte der Philosophieprofessor Thomas Stark anhand des Begriffs Natur, dass es beim Naturrecht um das „Wesen einer Sache“ gehe. Dabei klärte er darüber auf, dass das Wesen der Erziehung von ihrem natürlichen Bezug zur Elternschaft nicht einfach getrennt werden könne. Eltern seien der selbstverständliche, natürliche Rechtsinhaber zur Vermittlung von Werten und Lebensgrundlagen, wenn es um das Heranwachsen der Kinder und Jugendlichen gehe.  Dies infrage zu stellen bzw. durch Gesetzesveränderungen zu erschweren könne nicht Aufgabe des Staates sein. Das Naturrecht müsse immer über dem Gesetz eines Gemeinwesens übergeordnet sein.

Anhand dreier Beispiele aus Europa brachte ein  Vertreter der Organisation „ALLIANCE DEFENDING FREEDOM“, Laurence Wilkinson, die praktische Seite des gefährdeten Elternrechtes auf den Punkt: in England werden Kinder mit erheblichen medizinischen Diagnosen gegen den Willen der Eltern nicht mehr behandelt, in Norwegen wird Eltern, die im Verdacht stehen, potentiell ihrem Erziehungsauftrag  nicht adäquat gewachsen zu sein auch  ohne konkrete Faktenlage  das Sorgerecht entzogen und in Deutschland sind es Fälle von Gerichtsentscheidungen in Bezug auf den Elternwunsch, ihre Kinder durch „homeschooling“ bildungsmäßig zu versorgen, die zu Lasten der Eltern entschieden wurden. Diese Entwicklungen wurden anhand konkreter aktueller Fälle dokumentiert.

Ein abschließendes Gesprächsforum unter der Leitung des Journalisten und Publizisten Klaus Kelle (Ehemann der durch einige provozierende Publikationen bekannt gewordene Birgit Kelle („GenderGaga“) ließ verschiedene Experten inkl. einer in Deutschland wohnenden Mehrfachmutter, die zusammen mit ihrem Mann ihren Kindern durch homeschooling ihre schulische Ausbildung ermöglicht, zu Wort kommen.

Fazit und Kommentar zur gesamten Veranstaltung:

Bei allen Beiträgen wurde klar, dass Eltern sich nicht verunsichern lassen dürfen, sondern in ihrer Position gestärkt werden sollten. Sie sind im Regelfall die wichtigste Quelle der Versorgung ihrer Kinder.

Christen würden als Begründung von der Schöpfungsordnung Gottes sprechen. Sie wissen um eine Welt, die seit dem Ungehorsam des Menschen gegenüber Gott nicht mehr heil ist, sondern der Erlösung bedarf, weshalb auch Eltern oft versagen. Gleichwohl hat Gott Vorsorge getroffen, um im Rahmen eines familiären Verbandes den Schutz und die Förderung ihrer Kinder zu ermöglichen.

Der Staat hätte und hat die Aufgabe, solche Strukturen, die er selber nicht schaffen, sondern nur mitgestalten kann, zu stärken und rechtlich zu flankieren. Das entspricht der biblischen Zuständigkeitsbeschreibung, dass der Staat das Mandat hat, das „Böse“ zu sanktionieren und das „Gute“ zu stärken (Röm. 13,4 – „… Gottes Dienerin zu deinem Besten“). Der biblische Rahmen setzt staatlicher Willkür eine Grenze, die dieser nicht zu seinem eigenen Nachteil überschreiten sollte.

Im Prinzip konnte man bis vor einiger Zeit noch der Meinung sein, dass der Rechtsstaat das Recht nicht selber „erfinden“ kann, sondern es lediglich aus menschen- und naturrechtlichen Gegebenheiten, sprich: das, was in der Schöpfung auch ablesbar ist, ableiten und an gegebene Verhältnisse anpassen muss. Christen verstehen ihren Auftrag auch dahingehend, das Gemeinwohl aufgrund von Gottes Offenbarung in der Bibel und den Wert eines geordneten Familienlebens durch den Hinweis auf Gottes Normen zu stärken und selber mit gutem Beispiel voranzugehen.

In der Vergangenheit flossen dadurch auch – direkt oder indirekt – Motive aus der jüdisch-christlichen Offenbarung, die über naturrechtliche Einsichten hinausgingen, in die gesetzgebenden Organe. Beispiel: der Lebensschutz auch vor der Geburt wurde (und wird im Prinzip immer noch) mit den §§218 und 219 im Strafgesetzbuch als rechtlich zu schützendes Gut verstanden. Diese Sicht verliert an Selbstverständlichkeit seitdem eine Philosophie der sozialen Gestaltungsvielfalt aller vorhandenen Ordnungen das aktuelle geistige Klima bestimmt. Alles darf neu konstruiert werden, da es anscheinend keine übergreifenden Werte mehr gibt. In der Folge werden nun auch zunehmend Gesetze umgeschrieben, oder inhaltlich neu definiert, wie etwa Artikel 6, Abs. 1 des GG („Ehe für alle“).

Für Eltern und Familien muss gelten, dass sie sich davon nicht beirren lassen, sondern ihren Kindern die bestmögliche und verantwortungsbewusst getragene Erziehung, Bildung und umfassende Versorgung zukommen lassen sollten. Ziel muss sein, dass auch zukünftig Menschen, die sich als Mandatsträger und Verwalter von Gottes Schöpfung verstehen, in Europa als verantwortungsvolle Bürger für das Gemeinwohl einsetzen.

Auf die Offenbarung Gottes angelegte Christen dürfen dann auch auf eine neue, zukünftige Schöpfung verweisen, die nicht durch künstlich anmaßende Versuche menschlicher Willkür errichtet werden kann.